Eine Spielzeugkuh und ein Spielzeugschwein liegen auf aufgefächten 100- und 50-Euroscheinen
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EU-Subventionen für die Landwirtschaft

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"Glücklich ohne Subventionen" - Gibt es solche Landwirte?

Fast zehn Milliarden Euro pro Jahr bekommen deutsche Landwirte aus diversen Fördertöpfen. Zwar forderten bei den Demos Anfang des Jahres viele Bauern: "Wir wollen lieber gerechte Preise statt Subventionen." Doch nur wenige verzichten auf die Gelder.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Armin Brader ist ein Landwirt, über den seine Berufskollegen lästern: "Der spinnt." Denn der Milchbauer aus dem Unterallgäu verzichtet seit 2018 freiwillig und ganz bewusst auf Subventionen und sagt: "Ich bin glücklich damit." Seine Begründung: "Zu viele Auflagen, zu viele Kontrollen, zu wenig Wirtschaftlichkeit. Und ich will einfach meine Ruhe haben." Doch solche Landwirte gibt es nicht viele.

Fast alle beantragen staatliche Gelder

Bei den Bauerndemos Anfang des Jahres kam oft die Forderung, man wolle eigentlich gar keine Subventionen und stattdessen viel lieber gerechte Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse. Dennoch stellt fast jeder Landwirt Anfang Mai einen sogenannten Mehrfachantrag. 2023 waren das in Bayern knapp über 100.000 Landwirte. Wie viele Bauern keine Förderung beantragen, wird nicht erfasst.

Mit dem Mehrfachantrag beantragt ein Landwirt nicht nur die Flächenprämien von der EU, derzeit rund 156 Euro pro Jahr und Hektar, sondern auch alle sonstigen Förderungen - von der Weideprämie für Rinder bis zu Fördergeldern aus dem Wiesenbrüter- oder Moorbauernprogramm. Im Durchschnitt bekommt jeder deutsche Landwirt insgesamt 47.000 Euro pro Jahr: aus den Fördertöpfen in Brüssel, des Bundes und der Länder.

Wer Geld will, muss Regeln befolgen

Doch mit diesem Mehrfachantrag gibt der Landwirt viele Informationen preis. Er teilt dem Landwirtschaftsamt detailliert mit, was er wo anbaut, und er unterschreibt, dass er sämtliche Förderbedingungen einhält und mit jeglichen Kontrollen einverstanden ist. Genau das ist Armin Brader irgendwann gegen den Strich gegangen: "Man vereinbart Spielregeln mit dem Staat und bekommt dafür Geld. Dann darf ich aber nachher nicht jammern, dass mich das nervt."

Wie viel Geld fehlt in der Kasse?

Deshalb stellt Armin Brader seit 2018 diesen Mehrfachantrag nicht mehr. 2017 hatte er noch rund 28.000 Euro Prämien bekommen, doch darauf verzichtet er nun. Denn davon, so rechnet er vor, würden nur wenige tausend Euro übrigbleiben. Er müsse das Geld versteuern und sich an Auflagen halten, wie zum Beispiel Flächenstilllegung und genau vorgeschriebene Fruchtfolgen. Dadurch hätte er weniger Ertrag und würde weniger verdienen.

Außerdem spare er sich lästige Kontrollen, indem er auf die Subventionen verzichtet. Dass er sich trotzdem an Recht und Gesetz, wie etwa die Düngeverordnung, halten müsse, sei aber selbstverständlich. Armin Brader hat 50 Milchkühe und eine Biogasanlage.

Subvention oder Ausgleichszahlung?

Der Allgäuer Landwirt ist Mitglied bei den Freien Bauern, einem kleinen Verband, der sich erst vor Kurzem gegründet hat und sich vom großen Deutschen Bauernverband distanziert. Die Freien Bauern haben in ganz Deutschland nur 1.860 Mitglieder, in Bayern 175, doch es würden täglich mehr, sagt Pressesprecher Reinhard Jung. Gerade die Bauerndemos hätten deutlich gemacht, dass die Landwirte nicht als Subventionsempfänger gelten wollen. Das Wort Subventionen lehnen grundsätzlich fast alle Landwirte ab, egal welchem Verband sie angehören, stattdessen sollte es ihrer Meinung nach heißen: "Ausgleichszahlungen - für schlechte Erzeugerpreise."

"Gerechte Preise gibt es nicht!"

Doch wie steht es um die Forderung, Subventionen mit fairen oder gerechten Preisen zu ersetzen? Deutsche Agrarökonomen sind sich einig: Die Vorstellung, dass es so etwas wie faire oder gerechte Preise geben könne, sei in einem freien Markt nicht realisierbar.

Prof. Alfons Balmann, ein Agrarökonom aus Halle und Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung, erklärt: "Die Argumentation, wir brauchen so etwas wie kostendeckende Preise oder gerechte Preise, ist uralt. Aber wir wissen, dass alle staatlichen Versuche, so etwas zu ermöglichen, in der Vergangenheit gescheitert sind. Die haben in den 70er- und 80er-Jahren zu Butterbergen und Milchseen geführt." Balmann ist aber auch kein Befürworter des jetzigen Systems. Er fordert: weg mit den EU-Flächenprämien und stattdessen nur noch Fördergelder für Tierwohl oder Klimaschutz.

Alle fordern eine andere Agrarpolitik

Trotz vieler Milliarden an staatlicher Unterstützung und zahlreicher EU-Agrarreformen in den vergangenen Jahrzehnten sinkt die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe kontinuierlich. 1950 gab es in der Bundesrepublik (ohne DDR) noch zwei Millionen Bauernhöfe, letztes Jahr waren es in Gesamtdeutschland nur noch 255.000. Was also bringen diese Beihilfen überhaupt? Deshalb fordern nahezu alle eine radikale Reform der Agrarpolitik: Bauernverbände, Politiker und Wissenschaftler.

Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) sagte vor Kurzem in der BR-Sendung "Jetzt red i": "Man kann da nichts mehr feilen und nichts mehr besser machen, nur im schlimmsten Fall noch schlimmer. Und deswegen müssen wir den Reset-Knopf drücken und wieder bei Null anfangen."

Bildrechte: Josef Schmid; Montage: BR
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Screenshot eines Reels von Josef Schmid, AbL

Problem: Wer hat das richtige Rezept?

Fairer, zielgerichteter und einfacher soll das Subventionssystem werden und vor allem die Bürokratie soll abgebaut werden - darüber sind sich alle einig. Doch über das Wie wird hinter geschlossenen Türen offenbar gestritten.

Michaela Kaniber hat nach den Bauerndemos einen sogenannten Praktikerrat ins Leben gerufen und dort wurden in der letzten Sitzung Mitte April Vorschläge über eine Neugestaltung der Agrarpolitik gemacht. Ein Teilnehmer dieser Runde, Josef Schmid von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), hat allerdings am Tag darauf auf sozialen Kanälen gepostet: "Von Kanibers Ankündigung, ein völlig neues Fördersystem zu erarbeiten, weil das alte 'unreformierbar' sei, bleibt vermutlich wenig übrig. Alle Vorschläge wurden vor allem von den Vertretern des BV [Anm.: Bayerischen Bauernverbands] zerredet."

Markus Drexler, Pressesprecher des Bayerischen Bauernverbands, erklärt dazu: "Da gibt es natürlich Knackpunkte, bei denen man sich angesichts der Heterogenität bzw. der Zusammensetzung im Praktikerrat nicht einig ist." Welche konkreten Vorschläge allerdings von wem gemacht wurden, ist nicht zu erfahren; die Vorschläge werden im Ministerium gerade ausgewertet und in einem Papier zusammengefasst. Völlig offen ist, inwieweit Vorschläge aus Bayern in Brüssel überhaupt gehört werden.

Doch auch auf EU-Ebene reagiert man auf die Bauernproteste. Am vergangenen Mittwoch stimmte das EU-Parlament unter anderem dafür, dass kleine Betriebe mit weniger als 10 Hektar Fläche von Kontrollen ausgenommen werden und ihre Fördergelder behalten dürfen, auch wenn sie Umweltanforderungen nicht einhalten. Naturschützer kritisieren das als Einknicken vor der Bauernlobby.

Im Audio: Subventionen für Bauern - ist das ok?

Drei 1-Euro-Münzen liegen in Getreidekörnern. Dahinter steckt ein blaues EU-Fähnchen mit den EU-Sternen. (Symbolbild)
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"Ernte gut, alles gut?" Folge 18: Subventionen für Bauern - ist das ok?

Dieser Artikel ist erstmals am 28. April 2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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